Heute entscheiden wir über die Aufhebung der städtebaulichen Erhaltungssatzung für den Stadtteil Waldsee. Vorweg: Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen. Im Gegenteil – sie ist das Ergebnis eines sorgfältigen und auch transparenten Prozesses.
Seitdem wir die Erhaltungssatzung 2019 eingeführt haben, haben sich alle demokratischen Fraktionen im Jahr 2024 auf eine gemeinsame Evaluation verständigt. Die Evaluation wurde durchgeführt, in den Ausschüssen beraten und wiederum im Gemeinderat diskutiert. Auf dieser Grundlage hat eine große Mehrheit dieses Hauses beantragt, die Satzung aufzuheben. Der aktuelle Beschlussvorschlag setzt genau das um – erneut beraten im Ausschuss, erneut transparent. Zahlreiche Artikel im Amtsblatt und in Bürgerblättern, sowie viele Gespräche mit Anwohnerinnen und Anwohnern haben diesen Prozess begleitet. Die Entscheidung ist also demokratisch legitimiert und nachvollziehbar und auch weil das immer ein Vorwurf ist, dass der Gemeinderat seine Meinung ändert: Ich finde es mehr als legitim, dass man nach fünf Jahren, die in der Stadtentwicklung einiges bedeuten, sich Instrumente anschaut und Meinungen ändert.
Hätten wir gewusst, dass es eine ehrenamtliche Arbeitsgruppe zur Erhaltungssatzung gibt, hätten wir selbstverständlich das Gespräch gesucht. Dass hier zu wenig Kommunikation stattgefunden hat, bedauere ich sehr – nicht aus Absicht, sondern aus Unwissen.
Als die Satzung 2019 beschlossen wurde, stand ein wichtiges Ziel im Vordergrund: der Schutz des besonderen städtebaulichen Charakters von Waldsee. Das war – und ist – ein berechtigtes Anliegen. Waldsee hat eine prägende bauliche Identität, die wir schätzen.
Aber Stadtplanung bedeutet auch: abwägen, nachjustieren, weiterentwickeln. Und in der Praxis hat sich gezeigt: Die Satzung schützt nicht nur vor übermäßigen Eingriffen, sondern erschwert zugleich viele sinnvolle und notwendige Veränderungen. Dazu gehören kleine Maßnahmen wie Fahrradunterstände in Vorgärten oder Photovoltaikanlagen auf Dächern – Maßnahmen, die im Hinblick auf Klimaschutz und Verkehrswende dringend notwendig sind.
Auch der bürokratische Aufwand, den die Satzung verursacht – für Verwaltung wie für Bürgerinnen und Bürger –, steht oft in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen. Immer wieder haben uns Rückmeldungen erreicht: von Anwohnern, die gar nicht erst bei der Verwaltung angefragt haben, weil sie von vornherein mit Ablehnung rechneten. Oder von Menschen, deren Dachstuhlausbau mit Verweis auf die Satzung abgelehnt wurde.
Wir sehen in anderen Stadtteilen, dass eine maßvolle bauliche Entwicklung auch ohne formale Erhaltungssatzung möglich ist – ohne den prägenden Charakter zu gefährden. Das ist eine wichtige Erkenntnis, die wir nicht nur aus dem Mooswald mitgenommen haben.
Und wir dürfen bei aller berechtigten Sorge um den Erhalt gewachsener Strukturen eines nicht vergessen: Die Schaffung von Wohnraum bleibt eine der drängendsten Aufgaben unserer Stadt. Für meine Fraktion hat dieses Ziel höchste Priorität. Dafür brauchen wir mehr planerische Flexibilität – weniger Bürokratie, schnellere Entscheidungen.
Die Aufhebung der Satzung ist deshalb keine Entscheidung gegen den Stadtteil Waldsee – sondern eine Entscheidung für eine zukunftsfähige, sozial gerechte und klimapolitisch sinnvolle Stadtentwicklung.