Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder der Bürgermeister_innenbank,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ich weiß nicht, wie es meinen Kolleginnen und Kollegen geht, aber als politisch engagierter Mensch hat man es in den letzten Wochen und Monaten nicht leicht. Ein amerikanischer Präsident, der Minderheitenrechte mit Füßen tritt, auf die Justiz pfeift und einen Handelskrieg startet. Klimakatastrophen, die nur noch eine Randnotiz wert sind, und ein Rechtsruck, der einen an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte erinnert – das alles ist so erschreckend, dass einem schwindelig wird. Und obwohl wir weltweit, aber auch hier in Deutschland, vor so drängenden Themen stehen, drehte sich in der heißen Wahlkampfphase alles um die Migrationsdebatte, anstatt über die wirklich großen sozialen Schieflagen in unserem Land. Manchmal frage ich mich nach der Tagesschau abends schon, ob es noch was bringt, sich zu engagieren, während gleichzeitig die Welt aus den Fugen zu geraten scheint.
Was mir Zuversicht gibt:
Trotz alledem habe ich in den Haushaltsdebatten einen klaren Hoffnungsschimmer gesehen. Es gibt so viele Initiativen, die mit Herzblut und unermüdlichem Einsatz daran arbeiten, das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. So helfen Organisationen wie der SKF, Familien, die unter Schuldenbergen leiden. Frauen in Not finden Unterstützung bei Frauenzimmer und Kinder werden durch FRIG besser vor Gewalt geschützt. Es ist wirklich schön zu sehen, wie viele Menschen in Freiburg Tag für Tag an einer besseren und gerechteren Stadt arbeiten. Viele dieser wertvollen Einrichtungen konnten wir in diesem Haushalt stärken – und das ist nicht nur gut, sondern auch richtig.
Genauso richtig und wichtig war im Übrigen auch die Eröffnung des NS-Dokuzentrums und gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung der „WG der Demokratie“ vor drei Wochen. Es ist so wichtig, dass wir in diesen Zeiten so ein neues Museum in unserer Stadt haben. Die Streichungsanträge der beiden Stadträte hier ganz rechts sitzend sind dabei eine einzige Schande und legen offen, welcher Geist sie treibt. Lassen Sie mich das gesagt haben: Wir werden niemals aufhören, gegen Sie und Ihr rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild, das auf Ausgrenzung und Hass setzt, zu kämpfen. Wir werden es niemals als normal annehmen, dass hier in diesem Haus Vertreter einer Partei sitzen, die in großen Teilen rechtsextrem, die rassistisch und fremdenfeindlich ist und die eine derartige Gefahr für unsere Demokratie darstellt. Wir werden nicht müde, Politik für die Schwachen zu machen und klare Kante gegen Rechts zu zeigen.
Zurück zum Doppelhaushalt:
In diesem Haushalt hat meine Fraktion vor allem eines getan: Wir haben die Menschen in den Mittelpunkt gestellt, die tagtäglich für andere da sind. Das ist eine Investition in den sozialen Zusammenhalt unserer Stadt. Denn nur wenn wir uns um die kümmern, die am meisten Unterstützung benötigen, schaffen wir echte Chancengleichheit und Solidarität. Gemeinsam mit einer großen Mehrheit in diesem Hause haben wir ein klug abgestimmtes Bildungskonzept für Weingarten auf den Weg gebracht und verstärkt. Wir haben im Sinne der Umsetzung der Istanbul Konvention viele Initiativen unterstützt, die sich um Frauen kümmern, die von Gewalt bedroht sind oder diese erleben mussten. Wir haben mit dem Verein für solidarische Stadtteilgesundheit eine ganz neue Idee erstmals in den städtischen Haushalt geholt, die ärztliche Grundversorgung mit Psycho-, Sozial- und Rechtsberatungsangeboten verbindet und für alle zugänglich ist. Wir haben insgesamt mit diesem Haushalt richtig viel in den sozialen Zusammenhalt investiert und das ist dringender denn je.
Schwerpunkt Sport-Infrastruktur:
Aber zur sozialen Infrastruktur gehört für uns auch ein Bereich, der in den letzten Jahren hier in Freiburg in Teilen stark vernachlässigt wurde. Was der Bund jetzt mit einem längst überfälligen Investitionspaket tut, setzen wir im Kleinen um: Wir investieren endlich mehr in unsere Sportinfrastruktur. Denn Sportvereine und -einrichtungen sind für unsere Gemeinschaft von zentraler Bedeutung. Sie bieten nicht nur Freizeitmöglichkeiten, sondern auch Räume für Integration, Gemeinschaft und Gesundheit. Umso wichtiger, dass wir mit vollem Einsatz an die maroden Hallendächer und Sanitäranlagen gehen. Dass Spiele abgesagt werden müssen, weil es wieder mal von der Decke regnet oder der Boden so wellig ist, dass man mit Helm spielen müsste, darf in unserer Stadt einfach kein Normalzustand sein. Wir sind froh, so eine breite Mehrheit im Gemeinderat für dieses so wichtige Anliegen bekommen zu haben.
Jugend:
Wir freuen uns auch, dass unsere jugendpolitischen Forderungen in der Fraktionsgemeinschaft mit Junges Freiburg nochmal mehr Gewicht bekommen haben und noch dazu erfolgreich waren: Das Kinderbüro wird gestärkt, der Schüler:innen-Rat besser unterstützt und wir wollen jetzt wirklich endlich eine Lösung für unser Jugendbeteiligungsproblem in Freiburg finden. Diesen klaren Auftrag haben wir nochmal gemeinsam im Haushalt gegeben: Es ist Gesetzeslage, dass Kinder- und Jugendliche entsprechend beteiligt werden müssen und deshalb muss die Stadt Strukturen so anpassen, dass sie attraktiv und zugänglich für junge Menschen sind. Fehler wie beim Boxenverbot oder dem Konzept für den Stühlinger Kirchplatz, wo junge Menschen nicht beteiligt wurden, dürfen uns einfach nicht mehr unterlaufen.
Schwerpunkt Wohnen:
Tja, und was wäre eine Haushaltsrede der SPD/JF ohne das Thema Wohnen? Wir freuen uns richtig, dass Martin Horn auch mit diesem Doppelhaushalt einen weiteren klaren Schwerpunkt in der Bekämpfung der Wohnungsnot gelegt hat. Die gute Nachricht: Mit dem Spatenstich Kleineschholz und den ersten Bebauungsplänen für Dietenbach und einer FSB-Einweihung nach der anderen wird deutlich: Wir kommen voran! Die schlechte Nachricht: Es ist noch nicht genug, an dem Mietniveau verändert sich noch zu wenig, die Wohnungsnot ist weiterhin zu groß. Für uns heißt das: Den eingeschlagenen Weg weitergehen, die FSB weiter finanziell unterstützen, um ihr massives Ausbauprogramm weiterführen zu können, mit einem klaren Fokus auf geförderten Mietwohnraum. Unsere Aufgabe bleibt es, auch in den kommenden Jahren in den Wohnungsbau zu investieren, um den Anforderungen einer wachsenden Stadt gerecht zu werden. Und deshalb erteilen wir allen Anträgen der Freien Wähler, der CDU und auch der FDP, die den Ausverkauf von Grundstücken oder eine Schwächung der FSB vorsehen, eine klare Absage: Haushaltslöcher dürfen nicht auf Kosten des Menschenrechts Wohnen gestopft werden! Wir bleiben bei unserem Kurs: Flächen in eigener Hand halten, aktive Liegenschaftspolitik und dann das tun, was dringend nötig ist: Bezahlbare Mietwohnungen drauf bauen.
Und wir wollen auch im Bestand weiter hart arbeiten: Wir haben den Antrag von ESFA in der zweiten Lesung unterstützt, endlich mehr gegen Mietwucher zu tun. Wir freuen uns, dass Sie, Herr Oberbürgermeister nun eine Vorlage einbringen und hoffen, dass Freiburg auch bald Bußgelder bei Mietwucher verhängen kann: Die Abzocke von Mieter:innen dürfen wir nicht einfach so hinnehmen. Wir müssen alle Möglichkeiten, die wir als Kommune haben, um gegen Mietwucher vorzugehen, vollständig ausschöpfen. Wer in Freiburg Mieterinnen und Mieter abzockt und die ausweglose Situation schamlos ausnutzt, muss künftig in Angst leben, die volle Härte unseres Rechtsstaats abzubekommen!
Einnahmen und Haushaltspolitik:
Auch meine Fraktion hat sich Gedanken darüber gemacht, wie wir künftig haushalten wollen. Wir wissen, gerade auch mit Blick auf andere baden-württembergische Städte, dass die haushaltspolitische Lage auch in Freiburg zunehmend schwieriger wird. Dass dabei immer mehr Aufgaben von Bund und Land an die Kommunen delegiert werden, ohne dass diese bezahlt werden, brauche ich hier niemandem zu erzählen. Es darf einfach nicht so weitergehen. Das Einhalten der Schuldenbremse darf nicht mehr wert sein, als gute Kitas, moderne Schulen, neue Radwege und ein buntes Vereinsleben.
Gemeinsam mit den Grünen, der CDU und der FDP haben wir uns deshalb auf den Weg gemacht, auf der einen Seite über eine strukturelle Neuordnung in verschiedenen Zuschussbereichen nachzudenken, und auf der anderen Seite einen Antrag durchgebracht, der zum Ziel hat, die hohen Personalneuanmeldungen zu reduzieren und uns dadurch mehr Handlungsoptionen zu ermöglichen. Ein solches gemeinsames Handeln ist wichtig, um die Finanzen langfristig zu stabilisieren, ohne den sozialen Zusammenhalt zu gefährden, auch wenn es uns nicht leicht gefallen ist, weil wir über die massiven Personalengpässe in der Verwaltung Bescheid wissen. Deshalb halten wir es auch für einen Fehler, wie die Mehrheit für die Verpackungssteuer in diesem Gremium zustande gekommen ist. Denn durch den Deal, den die Grünen für die Zustimmung zu ihrem Projekt mit anderen Fraktionen eingegangen sind, wird der Haushalt zwar vermeintlich durch Mehreinnahmen entlastet – ebenso hohe Summen werden aber zugleich als dauerhafte Ausgaben wieder eingestellt. Und am Ende muss die Verwaltung schauen, wie sie die zusätzlichen Aufgaben mit knapperen Personalressourcen bewältigen kann. Das ist weder fair gegenüber den städtischen Mitarbeitenden, noch ist es haushaltspolitisch sinnvoll. Hier hätten wir uns auch in diesem Haushalt mehr gemeinsames Handeln und eine klare Linie gewünscht.
Verpackungssteuer:
A propos Verpackungssteuer: Auch wir wollen etwas gegen die Vermüllung in unserer Innenstadt tun. Und wir sehen es auch so, dass umweltpolitische Maßnahmen nicht aus einem Selbstzweck heraus beschlossen werden, sondern für unsere gemeinsame Zukunft in unserer Stadt und auf unserem Planeten. Ich halte es aber für einen großen Fehler, eine Steuer mit einer knappen Mehrheit im Gemeinderat in einem letztlichen Hau-Ruck Verfahren einzuführen, die laut des Haushaltsantrags 4,4 Millionen Mal von unseren Bürgerinnen und Bürgern beim Döner, beim schnellen Imbiss, oder bei ner Pizza gezahlt werden soll. Vor allem, weil Menschen mit einem kleinen Geldbeutel besonders betroffen sein werden, weil es eben einen Unterschied macht, ob ich für einen Döner in Verpackung und Tüte einen Euro mehr zahle oder für das Happy Meal 2,90 € mehr. Wir hätten uns gewünscht, dass das Thema zuerst inhaltlich diskutiert wird und nicht mal eben im Haushalt beschlossen wird. Wir stehen einer Verpackungssteuer prinzipiell offen gegenüber. Aber eben nur dann, wenn es praktikable Alternativen gibt, die nicht zu einer bloßen Preissteigerung und damit verbundenen sozialen Härten führen. Ziemlich absurd ist ja im Übrigen auch, dass diejenigen, die bewusst zum Green-Döner gehen, der seinen Yufka in eine recyclebare Verpackung aus nachwachsenden Rohstoffen verpackt genauso draufzahlen müssen! Es geht doch am Ziel vorbei, wenn wir auch diejenigen, die sich Gedanken machen und auf nachhaltige Alternativen setzen, pauschal bestrafen.
Aus Tübingen wissen wir, dass das Müllaufkommen nicht messbar zurückgegangen ist. Vielmehr müssen wir uns auf subjektive Berichte verlassen, die weit auseinandergehen – vor allem wenn es um die Abendstunden geht. Nochmal: Wir brauchen eine durchdachte Strategie anstatt übereilter Maßnahmen. Am Ende steht die Akzeptanz von klima- und umweltpolitischen Maßnahmen in der breiten Bevölkerung auf dem Spiel. Überhastete und kleinteilige Regelungen mit hohem bürokratischen Aufwand – Stichwort: Größe der Gabel, warmes Leberkäsweckle ja, kaltes nein, Butterbrezel ja, Brezel ohne Butter nein, recyclebare Verpackung aus nachwachsendem Rohstoff ja, Serviette nein – schaden diesem Anliegen am Ende mehr, als, dass sie nützen. Erst recht bei der jungen Bevölkerung, bei der das Thema Number one bei allen Jugendbeteiligungsformaten ist: Macht Döner billiger! Wir machen ihn teurer, ohne eine gute Alternative zu haben, mit bisher noch vielen ungeklärten Fragen und das halten wir für den falschen Weg.
Schluss:
Bei der Diskussion um die Verpackungssteuer mit all ihren kleinteiligen Regelungen kam mir aber auch unwillkürlich ein Satz von Willy Brandt in den Sinn, der einmal sinngemäß meinte, die Politik solle sich zum Teufel scheren, wo sie nicht dazu dient, Menschen in Bedrängnis das Leben etwas leichter zu machen. Das scheint mir immer noch eine gute Richtschnur zu sein – gerade auch im Umgang mit einer Welt aus den Fugen, die ich am Anfang skizziert habe, und auch als Haltung gegen den grassierenden Rechtspopulismus. Und ganz viel von diesem Anspruch – Menschen in Bedrängnis das Leben leichter zu machen – sehe ich und sieht meine Fraktion eben auch in diesem Haushalt verwirklicht: Im langfristigen Einsatz, die Mieten in unserer Stadt für diejenigen wieder bezahlbar zu machen, die verzweifelt eine Wohnung suchen, bei den Investitionen gegen marode Sportstätten und vor allem im Einsatz für funktionierende Hilfsangebote für Menschen in Not. Die Aufgaben und Fragen, die an uns gestellt werden, werden nicht leichter – das habe ich, glaube ich, zu Beginn meiner Rede deutlich gemacht. Es ist deshalb unabdingbar, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen und die Weichen so stellen, damit unsere Stadt auch morgen noch ein Ort ist, an dem Menschen egal welcher Herkunft in Würde leben können. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten – mit hoffentlich viel Zuversicht und dem Blick auf diejenigen, die es in unserer Stadt am Schwersten haben.
Meine Fraktion wird dem Doppelhaushalt 2025/2026 zustimmen.
(Julia Söhne)
Anmerkung: Es gilt das gesprochene Wort.